Empfehlungen Juni/Juli 2012

Unsere Mitarbeiter/-innen empfehlen - Juni/Juli 2012

Als Wandern noch keine Trendsportart war…

Schwab, Gustav: Landschaftsbilder. Hrsg. von Wolfgang Alber. - Klöpfer & Meyer, 2012. - 190 S. (Eine kleine Landesbibliothek)

Gustav Schwab ist bekannt geworden durch die „Sagen des klassischen Altertums“, einem Bestseller, der seit über hundert Jahren in keinem Kinder- und Jugendbuchregal fehlt. Er wurde 1792 in Stuttgart geboren und starb 1850. Als Pfarrer, Gymnasialprofessor und Schriftsteller hat er am literarischen Leben Württembergs regen Anteil gehabt und war der Schwäbischen Dichterschule um Ludwig Uhland, Justinus Kerner und Gustav Pfizer eng verbunden.

Im „Ländle“ ist er viel rumgekommen, und er hat über seine Reisen und Wanderungen viel geschrieben, nämlich ca. 1200 Seiten Landschaftsbeschreibungen. Man kann ihn also für einen der frühen Reiseschriftsteller in der Region halten. Knapp ein Jahrzehnt vor dem ersten Baedeker nahm Gustav Schwab seine Leser mit auf die Fußwanderung oder Postkutschenreise quer durch Schwaben. In diesen Reisebeschreibungen hat er einen ganz eigenen unverwechselbaren Ton gefunden, idealisierend, aber auch genau in seinen Beobachtungen.

Der Journalist und Publizist Wolfgang Alber hat Texte von Gustav Schwab ausgesucht und in der Kleinen Landesbibliothek des Klöpfer & Meyer Verlages veröffentlicht. Die bildhafte und farbige Sprache von Gustav Schwab verführt dazu, altbekannte Wanderwege ganz neu zu sehen und sich in eine neue Perspektive beim „Augenausfluge“ zu versetzen.

Andrea Däuwel-Bernd

Reutlinger Buchpremieren am Dienstag, 19. Juni, 20 Uhr in der Stadtbibliothek Reutlingen

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Gärtnern in allen Lebenslagen

Hamilton, Geoff: Mein Bio-Garten. Natürlich anbauen und ernten. - Überarb. Von Nick Hamilton. - Dorling Kindersley, 2011. - 288 S.

Mit diesem Bio-Gartenratgeber halten Sie einen modernen Klassiker in Händen, der sogar nie gestellte Fragen beantwortet und unschätzbar wertvolle Tipps für's Gärtnern bereithält. Nick Hamilton hat die Ausgabe seines Vaters von 1987 auf den neuesten Stand gebracht und zu einer wahren Fundgrube an Informationen durch das Gartenjahr gemacht: Ob Sie einen Garten neu konzipieren, einen Kompost ansetzen, biologischen Pflanzenschutz betreiben, einen Gartenteich oder einen Rasen anlegen, Bäume und Sträucher ziehen und schneiden oder Gemüseanbau betreiben möchten, hier werden Sie fündig.

Von der Anzucht und Aussaat bis zur richtigen Lagerung der Ernte, vom notwendigen Werkzeug über die geeignete Düngung bis zur biologischen Schädlingsbekämpfung wird grundlegendes Gärtnerwissen kompakt und mit ansprechenden Bildern anschaulich vermittelt. Die Bodeneigenschaften werden für die richtige Pflanzenauswahl ebenso berücksichtigt wie der Standort. Der Fruchtwechsel wird erläutert, die Planung von Obst- Gemüse-, Kräuter und Ziergärten und Gewächshäusern gut verständlich erklärt, Krankheiten mit Bildern gezeigt sowie Blumen, Obst- und Gemüsesorten mit ihren jeweiligen Ansprüchen und Eigenschaften vorgestellt. Auch für Terrassen- und Balkonbesitzer gibt es ein eigenes Kapitel. Ein nützlicher Führer durch das Gartenjahr mit den jeweils anfallenden Tätigkeiten runden das systematisch aufgebaute Buch mit einem ausführlichen Register ab.

Einziger Wermutstropfen: wer auf die ultimative Lösung für die jährlich einsetzende Schneckenplage gehofft hat, wird die gefräßigen Tiere auch weiterhin abends absammeln und zum nächsten Bach tragen müssen: es scheint kein ökologisches Kraut dagegen gewachsen zu sein.

Fazit: Ein rundum gelungenes Standardwerk, unentbehrlich für jeden passionierten Freizeitgärtner.

Tanja Schleyerbach

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Ergreifende Biografie über den jüdischen Schauspieler Kurt Gerron

Lewinsky, Charles: Gerron. – Nagel & Kimche, 2011. – 539 S.

Kurt Gerron war einmal ein Star und ist jetzt nur noch ein Häftling unter Tausenden. Der Nationalsozialismus hat den bekannten Schauspieler, Regisseur und Sänger von den Berliner Filmateliers ins Ghetto von Theresienstadt getrieben, wo er ein letztes Mal seine Fähigkeiten beweisen soll: als er den Auftrag bekommt, einen Film zu drehen, der das erniedrigende Dasein der Juden als Paradies schildern soll, sieht er sich vor einer Gewissensentscheidung, bei der sein Leben und das seiner Frau auf dem Spiel steht. In dieser Lage lässt Gerron sein Leben noch einmal Revue passieren: seine Kindheit und Jugend, die abrupt durch den Ausbruch des 1. Weltkrieges und dem Einsatz Gerrons an der Front beendet wird, seinen Karriereaufstieg am Theater und im Film, die Liebe zu seiner Frau Olga.

Charles Lewinsky vermischt Fiktion mit historischen Tatsachen. Der Roman berührt, beeindruckt und erschüttert.

Silke Rieger

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Kleine Geste - große Wirkung

Silei, Fabrizio: Der Bus von Roas Parks. – Jacoby & Stuart, 2011. - 40 S.

Wer träumt nicht davon etwas Großes zu bewirken? Aber wie wird man zum Helden?

Bei Rosa Parks war es nicht genialer Erfinderreichtum oder das Erreichen körperlicher Höchstleistung, bei ihr reichte es einfach „Nein!“ zu sagen. Die 42jährige afroamerikanische Schneiderin weigert sich am 1. Dezember bei der abendlichen Heimfahrt mit dem Bus, ihren Sitzplatz für einen Weißen freizugeben. Etwas Undenkbares im Amerika Mitte der 1950er Jahre. In den Südstaaten bestimmt die diskriminierende Rassentrennung das öffentliche Leben. Von Schwarzen durften Parkbänke, Toiletten oder Restaurants entweder gar nicht oder nur in ausgewiesenen Bereichen benutzt werden. Ihre Weigerung bleibt nicht folgenlos. Sie wird von der Polizei verhaftet und ins Gefängnis gebracht. Das ist der Auslöser für eine schwarze Bürgerrechtsbewegung, unter ihnen Martin Luther King. Ein Jahr später verbot der Oberste Gerichtshof Rassentrennung in öffentlichen Verkehrsmitteln.

Fabrizio Silei erzählt in dem All-Age-Bilderbuch von der historisch belegten Heldin des Alltags, ihrem Mut zur Courage, ohne übergroßen Pathos. Eindrucksvoll wird die Geschichte durch die großartige Bildsprache von Maurizio A.C. Quarello durch Illustrationen im Stil des amerikanischen Realismus unterstützt.

Ein beachtliches, mutmachendes Buch, die Welt durch kleine Gesten mitzugestalten.

Anne Linder

Der Titel steht 2012 auf der Auswahlliste zum Deutschen Jugendliteraturpreis in der Kategorie Sachbuch.

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Dänisches Familienporträt mit Tiefgang

Eine Familie. - Regie: Pernille Fischer Christensen. – 1 DVD, 2010. – 99 Min.

Die Rheinwalds sind eine ganz normale Patchworkfamilie: Vater Rikard, königlicher Hoflieferant in dritter Generation für Backwaren aller Art lebt mit seiner zweiten Frau Sanne und den beiden gemeinsamen Kindern in Kopenhagen. Seine beiden Töchter aus erster Ehe sind erwachsen. Ditte, die älteste, eine erfolgreiche Galeristin, hat gerade einen Traumjob in New York angeboten bekommen – und treibt dafür ihr Kind ab. Als sie erfährt, dass ihr Vater nach überstandener Lungenkrebserkrankung mit einem Gehirntumor dem Tod nahe ist, kommen ihr Zweifel an ihren ehrgeizigen Plänen. Ihr Mann Peter, von Beruf Künstler, ist weder mit der Abtreibung einverstanden, noch muss er dringend nach New York, wo er sich soeben ein Atelier gemietet hat. Doch als Ditte plötzlich Bäckerin werden möchte, ist er es, der es rasch auf Abbruch aller Zelte drängt – ungeachtet des Gesundheitszustandes ihres Vaters. Wie sonst könnte er sich den Sinn der Abtreibung erklären?

Christensen geht den inneren Konflikten nicht aus dem Weg, ja, sie sucht sie geradezu auf. Ruhig beobachtet der Film, wie seine Protagonisten diese Kämpfe immer wieder ausfechten. Ditte den mit dem Familienerbe, den Karriereträumen, dem Vaterverlust, der Beziehungskrise, den Skrupeln nach der Abtreibung. Rikard den mit der tödlichen Krankheit, dem Sterben und der Nachfolgeregelung. Sanne den mit der Sturheit ihres Mannes, ebenfalls mit ihren Verlustängsten und mit ihrer Trauer. Die kleinen Kinder die Angst vor dem Verlassenwerden und dem Tod des Vaters. „Ditte, was passiert mit uns, wenn Mama auch geht, kommen wir dann zu Dir?“

„Vier Kinder habe ich, und keines kann backen“ ist Rikards ernüchterndes Resumée kurz vor seinem Tod.

Christensen blendet die Sterbeszene nicht aus. Ganz bewusst nehmen alle Abschied, sind um das Sterbebett versammelt, wenn Rikard seine letzten Atemzüge tut, und er will sie zu Hause erleben, nicht in einem Hospiz. Jede geht anders mit diesem intimen Moment des Übergangs um: die eine geht, die andere wäscht den Toten und kleidet ihn für die letzte Reise, die eine trauert laut, die andere still. Pernille Fischer Christensen ist ein überzeugendes Familienportrait zwischen Tradition und Moderne gelungen.

Tanja Schleyerbach

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Zwei atemberaubend gute Musikprojekte

Quadrat:sch: Stubenmusic : "... über Bäume, Hügel, und hintere Hindernisse". - Col legno, 2011. - 2 CDs + Beih.

Für alpenländische Stubenmusik sind Hackbrett, Zither, Gitarre und Kontrabass seit dem 18. Jahrhundert eine gängige Besetzung. Aber was Barbara Romen, Christof Dienz, Alexandra Dienz und Gunter Schneider als Ensemble Quadrat:sch aus dem Instrumentarium entwickeln, lässt sich nicht in eine Schublade einordnen. Der Tiroler Komponist und Zitherspieler Christof Dienz, als Fagottist musikalisch ausgebildet, hat großen Gefallen an der klanglichen Vielfalt dieser Instrumente gefunden. Seine Musik ist perkussiv und dynamisch, experimentell und doch gefällig – es ist Neue Tiroler Stubenmusik im besten Sinne.

Immer wieder treibt die Musik voran und nimmt die Hörer mit auf eine spannende Entdeckungsreise ins Reich der gezupften Saitenklänge. Und in einem zweiten Projekt geht das Ensemble Quadrat:sch noch einen Schritt weiter. Mit dem um Harfe und Perkussion erweiterten Ensemble lösen sich die Grenzen von Jazz, Avantgarde und Folklore vollends auf. Staunend kann man hören, was einen zeitgenössischen improvisierenden Musiker bewegt, der weder seine Wurzeln verleugnen will noch neue Wege scheut. Zwei atemberaubend gut gelungene Musikprojekte mit hörenswerter Musik.

Axel Blase